Dezember

SWG - Der Bote als Pdf

 

Berliner Platz sucht Vollversorger
Neues Einzelhandelskonzept für die drei Dreescher Stadtteile wird jetzt in der Politik und in den Ortsbeiräten diskutiert

Wo wird welches Geschäft gebraucht? Und wo soll keine neue Konkurrenz entstehen? Das sind die Kernfragen, die Planer antreiben, wenn es um eine Konzeption für den Einzelhandel geht. Dafür fließen eine Reihe von Zahlen und Fakten ein – von der Kaufkraft der Bewohner bis hin zu deren Wünschen und Sorgen.
1998 gab es für Schwerin das erste Einzelhandelskonzept. 2006 folgte die erste Aktualisierung. Derzeit entsteht in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Planungsverband Westmecklenburg ein Gesamtkonzept für Schwerin und das Umland. Da es aktuell Anfragen für Investitionen in Neu Zippendorf gibt, hat die Stadt speziell für die Stadtteile Großer Dreesch, Neu Zippendorf und Mueßer Holz ein Einzelhandelskonzept erarbeiten lassen. Seit Dienstag liegt das Papier der CIMA Beratung + Management GmbH in der Politik vor und soll jetzt in den Fachausschüssen und vor allem in den drei Ortsbeiräten diskutiert werden. Am Ende soll das 20 000 Euro teure Gutachten Arbeitsgrundlage für Wirtschaftsförderer und Planer sein, verdeutlichte Wirtschaftsdezernent Bernd Nottebaum bei der Vorstellung.

Leuchttürme sind laut Konzept die Stadtteilzentren Dreescher Markt und Keplerpassage, wenngleich letztere Entwicklungspotenzial aufweist. So fehle ein Drogeriemarkt, müsse gegen Leerstand angegangen und weitere Parkplätze nach dem Abriss des alten Getränkemarktes erschlossen werden.

Das Sorgenkind bleibt der Berliner Platz, der voraussichtlich erst in ein oder zwei Jahren saniert werden kann. Hier sehen die Gutachter dennoch die größten Entwicklungspotenziale – vor allem, wenn nach dem Hochhäuser-Abriss das Areal erneuert wird und somit – wie die Planer sagen – die Aufenthaltsqualität erhöht wird. Ein Lebensmittel-Vollsortimenter und ein Drogeriemarkt sind laut Konzept wünschenswert.

Der Entwicklungsschwerpunkt für den Berliner Platz bedeutet aber auch, dass andere Bereiche zurückstecken müssen. Auf dem Areal der einstigen Norddeutschen Wohnwelt dürfte es weder einen Nahversorger noch „zentrenrelevante Sortimente“ geben, also vielleicht ein Möbelmarkt. An der Cottbuser Straße solle dagegen wie auf dem Köpmarkt gar nichts passieren, was den Einzelhandel betrifft, sagen die Gutachter. Und in der Pilaer Straße, wo ein Aldi-Markt mit 800 Quadratmeter Verkaufsfläche entsteht, soll danach auch Ruhe sein. Der Wunsch von Edeka, dort einen Vollsortimenter zu errichten, würde der Entwicklung des Berliner Platzes zuwider laufen.

Dezernent Bernd Nottebaum hofft, dass Edeka nach der Neugestaltung des Berliner Platzes für eine dortige Ansiedlung gewonnen werden kann – oder ein anderer Investor. Er gibt aber auch zu: „Das wird schwer.“ Die Stadt will ihren Beitrag leisten: Die Platzsanierung steht fest auf der Agenda.

 

„Wir wollen Weltbürger erziehen“
Bilinguale Kita „Future Kids“ im Schweriner Plattenbaugebiet bietet exotisches Angebot im Land / Kinder tauchen ins „Sprachbad“

Vivien, Van Nhi und Maxim tupfen leuchtendes „green“ auf eine große Pappe. Andere Kinder verteilen mit einem „sponge“ großflächig „blue“ und „pink“. Das wird die Kulisse für das Theaterstück „Colours on stage“, wie Erzieherin Mona Gonzales erklärt. Das bunte Farbenspiel gehört zum täglichen Kunstangebot in Schwerins bilingualer Kindertagesstätte „Future Kids“. Die im Mai 2011 im Plattenbaugebiet Dreesch eröffnete Einrichtung ist die einzige mehrsprachige Kita in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt und laut Bildungsministerium nach einem Rostocker Kindergarten erst die zweite mehrsprachige Kita im Land. Mehrsprachige Bildungsangebote stecken im Nordosten noch tief in den Kinderschuhen.
Neben den beiden Kitas, die sich der spielerischen Vermittlung mehrerer Sprachen verschrieben haben, gibt es laut Kultusministerium nur eine Grundschule in Laage bei Rostock mit bilingualem Unterricht sowie mehrsprachiges Lernen an fünf Gymnasien und drei Privatschulen.

„Wir sind auf der Welt Exoten mit unserer Einsprachigkeit“, sagt Heike Ihde, Leiterin der Schweriner „Future Kids“. Dabei sei längst nachgewiesen, dass mehrsprachige Erziehung von klein auf die Intelligenz steigere. Spielerisch lernten die Kinder Englisch, seien aber auch in der deutschen Sprache weiter als Gleichaltrige, sagt Ihde. Im „Sprachbad“ ohne Unterricht würde nicht nur das Sprachzentrum der Jüngsten erweitert, auch die Lernfähigkeit werde frühzeitig gefördert. Gerade Kinder aus ärmeren Familien oder Elternhäusern mit Migrationshintergrund würden in ihrem Selbstvertrauen gestärkt, ist die Pädagogin überzeugt.

Der 3,5 Millionen Euro teure Kita-Neubau ersetzt zwei alte Kindergärten im größten Plattenbaugebiet der Stadt. Bewusst hat Schwerin die bilinguale Bildungsstätte dort gebaut, wo die Einkommen eher niedrig und Bedingungen für Kinder eher schlechter sind. Hier lebt fast jeder vierte Schweriner, jeder fünfte der 23 000 Dreesch-Bewohner hat einen Migrationshintergrund. Viele Einwanderer stammen aus Russland oder anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, aus Asien oder Afrika. Der Kultur- und Sprachenmix spiegelt sich bei den „Future Kids“ wider. Ein Drittel der 178 Krippen- und Kindergartenkinder kommt aus Migrantenfamilien, die zu Hause ihre Muttersprache pflegen.

In der Kita werden Deutsch und Englisch parallel genutzt, jede zweite Erzieherin spricht nur Englisch. „Wir haben hier verschiedenste Nationen, eine echte kulturelle Bereicherung“, meint Heike Ihde. „Wir wollen Weltbürger erziehen“, sagt sie. „Migration – die leben wir einfach.“ Die anfängliche Skepsis einiger Eltern habe sich rasch gelegt.

Nils und Martina Panknin, Eltern der dreijährigen Vivien, arbeiten als Hauswirtschafterin beziehungsweise Techniker und beherrschen selbst keine Fremdsprache. „Englisch brauchen Kinder von heute. Je früher sie damit beginnen, umso besser“, sagt die Mutter. Seine Tochter sei viel aufgeschlossener geworden und auch im Deutschen immer einen Schritt voraus, sagt der Vater. Er wolle an der Abendschule selbst Englisch belegen, um mitreden zu können.

Die „Future Kids“ vom Dreesch könnten es schaffen, Klischees aufzubrechen, sagt Anke Preuß, Geschäftsführerin der Kita gGmbH, Träger der Schweriner Kindertagesstätten. Vorurteile über angeblich bildungsferne Familien in sogenannten sozialen Brennpunktgebieten stimmten so nicht, betont Preuß. Bedauerlich sei nur, dass keine staatliche Schule in Schwerin das Konzept der Kita fortführt und bilingualen Unterricht anbietet, so Preuß.

An Schule denken die Dreijährigen der „Future Kids“ noch lange nicht. Für ihr Theaterprojekt setzen sie weiter mit Schwämmen bunte Farbkleckse auf Pappwände. Dazu plappern sie munter Deutsch und Englisch, auch mal Russisch oder Vietnamesisch. Van Nhi färbt geduldig die letzten weißen Stellen der großen Pappe grasgrün ein. „Perfect“, lobt Mona Gonzales. „Thank you very much!“